Sucht betrifft viele, alle anderen sind als Angehörige betroffen.

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illustration nein sagen

Willkommen

Sie interessieren sich für die Angehörigenproblematik der Sucht? Vielleicht, weil Sie selbst als Kind, Partner, Eltern, Geschwister oder Freund betroffen sind, weil Sie sich in der Selbsthilfe engagieren oder weil Sie als Suchthelfer, Sozialarbeiter oder Psychotherapeut tätig sind? Vielleicht auch, weil Sie aus der Sucht ausgestiegen sind, und erfahren möchten, wie andere unter Ihrem süchtigen Verhalten gelitten haben? Diese Website solidarisiert sich parteiisch mit betroffenen Angehörigen.

Der Domänenname dieser Website soll einer vielschichtigen und facettenreichen Problematik eine eigene Überschrift geben. Angehörige sind nicht nur Anhängsel, sie leiden ebenso unter den Folgen und Begleiterscheinungen der Sucht wie die Suchtkranken. Co-abhängige Erlebens- und Verhaltensmuster sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Betroffenen in der Hilfe für eine nahestehende suchtkranke Person verstricken. Durch die Aufopferung im Dienste der Sucht vernachlässigen sie sich selbst, ihre Lebensinteressen und Selbstfürsorge. Darüber entwickeln sie nicht selten eigene psychosoziale und psychosomatische Probleme und Störungen.

Angehörige benötigen Hilfe, doch sie nehmen oftmals die eigene Not kaum wahr und bagatellisieren sie: "Ist nicht schlimm, alles gut!" Ihr stilles Leiden wird durch die Hilfesysteme nur unzureichend erkannt und infolgedessen fallen sie zwischen die Hilfenetze von Prävention, Jugendhilfe, Suchthilfe und Psychotherapie. In der bewussten Hinwendung zu und Beachtung von Angehörigen, davon bin ich überzeugt, liegt eine enorme Chance, die Hilfesysteme gerechter zu gestalten und eine bessere Vernetzung zu entwickeln.

erich fromm

2025-06 | Erich Fromm

Die Kunst des Liebens

Fromm, E. (2023). Die Kunst des Liebens (5. Aufl.). Berlin: Ullstein.

Vor über 35 Jahren habe ich die philosophischen Werke des Sozialpsychologen Erich Fromm entdeckt: Haben oder sein und Die Kunst des Liebens. Damals war ich tief beeindruckt von der Klarheit und Einfachheit seiner Sprache, mit der er komplexe, gesellschaftskritische Anschauungen zum Leben, zum Menschsein und zur Mitmenschlichkeit vertritt. Fromms Lehren haben mich motiviert, Psychologie zu studieren.

Derzeit lese ich wieder Die Kunst des Liebens, auch weil ich ein Essay daraus für Co-ABHAENGIG.de entwerfen und anhand der Philosophie von Fromm den Unterschied zwischen Abhängigkeit und Liebe herausarbeiten wollte. Als ich das Kapitel Selbstliebe gelesen habe (S. 97 - 106), habe ich meinen Plan revidiert. In dem Kapitel beschreibt Fromm die süchtige und co-abhängige Deformation eindeutig, auch wenn er andere Begrifflichkeiten nutzt. Und er schildert die Alternative dazu, mittels der Selbstliebe die echte Liebe zu entdecken.

Zunächst stellt er einen auch heute noch weitverbreiteten, irrigen Glaubenssatz vor, dem auch co-abhängige Personen häufig anhängen:

Man nimmt an, in dem Maß, wie man sich selbst liebe, liebe man andere nicht, und Selbstliebe sei deshalb das gleiche wie Selbstsucht. [...] Liebe und Selbstliebe schließen sich dabei gegenseitig aus: Je mehr von der einen, um so weniger ist von der anderen vorhanden. Ist aber die Selbstliebe etwas Schlechtes, so folgt daraus, daß Selbstlosigkeit eine Tugend ist.

Fromm kommt in seiner Analyse zu einem eindeutigen Ergebnis:

Bevor wir den psychologischen Aspekt der Selbstsucht und Selbstliebe nun diskutieren, ist zu unterstreichen, daß die Auffassung, die Liebe zu anderen Menschen und die Liebe zu sich selbst schlössen sich gegenseitig aus, ein logischer Trugschluss ist. Wenn es eine Tugend ist, meinen Nächsten als ein menschliches Wesen zu lieben, dann muß es doch auch eine Tugend - und kein Laster - sein, wenn ich mich selbst liebe, da ja auch ich ein menschliches Wesen bin. Es gibt keinen Begriff von Menschen, in den ich nicht eingeschlossen bin. [...] Liebe zu meinem Selbst ist unzertrennbar mit der Liebe zu allen anderen Wesen verbunden.

Echte Liebe ist Ausdruck inneren Produktivseins und impliziert Fürsorge, Achtung, Verantwortungsgefühl und »Erkenntnis«. Sie ist kein »Affekt« in dem Sinn, daß ein anderer auf uns einwirkt, sondern sie ist ein tätiges Bestreben, das Wachstum und das Glück der geliebten Person zu fördern. Dieses Streben aber wurzelt in unserer Liebesfähigkeit. [...] Die Bejahung des eigenen Lebens, des eigenen Glücks und Wachstums und der eigenen Freiheit ist in der Liebesfähigkeit eines jeden verwurzelt.

Im Folgenden grenzt Fromm die Selbstliebe von der Selbstsucht und der Selbstlosigkeit ab:

Der Selbstsüchtige interessiert sich nur für sich selbst, er will alles für sich, er hat keine Freude am Geben, sondern nur am Nehmen. Die Außenwelt interessiert ihn nur insofern, als er etwas für sich herausholen kann. Die Bedürfnisse anderer interessieren ihn nicht, und er hat keine Achtung vor ihrer Würde und Integrität. Er kann nur sich selbst sehen; einen jeden und alles beurteilt er nur nach dem Nutzen, den er davon hat. Er ist grundsätzlich unfähig zu lieben.

Selbstsucht und Selbstliebe sind keineswegs identisch, sondern in Wirklichkeit Gegensätze. Der Selbstsüchtige liebt sich selbst nicht zu sehr, sondern zuwenig; tatsächlich hasst er sich. [...] Er kann deshalb nur unglücklich und eifrig bedacht sein, dem Leben die Befriedigung gewaltsam zu entreißen, die er sich selbst verbaut hat. [...] Es stimmt zwar, daß selbstsüchtige Menschen unfähig sind, andere zu lieben, aber sie sind auch unfähig, sich selbst zu lieben.

Diese Theorie des Wesens der Selbstsucht wird durch psychoanalytische Erfahrungen mit der neurotischen »Selbstlosigkeit« bestätigt, die man bei nicht wenigen Menschen beobachten kann; diese leiden gewöhnlich an Symptomen, die damit zusammenhängen, etwa an Depressionen, Müdigkeit, an einer Unfähigkeit zu arbeiten, am Scheitern von Liebesbeziehungen usw. [..] Der solcherart Selbstlose »will nicht für sich selbst«; er »lebt nur für andere«; er ist stolz darauf, daß er sich selbst nicht wichtig nimmt. Er wundert sich darüber, daß er sich trotz seiner Selbstlosigkeit unglücklich fühlt und daß seine Beziehungen zu denen, die ihm am nächsten stehen, unbefriedigend sind. [...]

der Betreffende ist nämlich überhaupt in seiner Fähigkeit, zu lieben oder sich zu freuen, gelähmt; daß er voller Feindschaft gegen das Leben ist und daß sich hinter der Fassade seiner Selbstlosigkeit eine subtile, aber deshalb nicht weniger intensive Ichbezogenheit verbirgt.

Anhand des Beispiels der selbstlosen Mutter führt Fromm aus, welche Auswirkungen Selbstlosigkeit auf andere hat:

Sie [die Kinder] sind ängstlich, nervös und haben ständig Angst, die Mutter könnte mit ihnen nicht zufrieden sein und sie könnten ihre Erwartungen enttäuschen. [...] Alles in allem wirkt eine selbstlose Mutter auf ihre Kinder kaum anders als eine selbstsüchtige, ja, die Wirkung ist häufig noch schlimmer, weil ihre Selbstlosigkeit die Kinder daran hindert, an ihr Kritik zu üben. Sie fühlen sich verpflichtet, sie nicht zu enttäuschen, so wird ihnen unter der Maske der Tugend eine Abscheu vor dem Leben beigebracht.

Und am Ende fasst er seine Überlegungen zur Selbstliebe durch ein Zitat von Meister Eckhart zusammen:

»Hast du dich selbst lieb, so hast du alle Menschen lieb wie dich selbst. [...] So steht es recht mit einem solchen Menschen, der sich selbst liebhat und alle Menschen so lieb wie sich selbst, und mit dem ist es gar recht bestellt.«

Dem habe ich nichts hinzuzufügen, so offensichtlich ist der Zusammenhang zu dem Themenkomplex Abhängigkeit, und wünsche Ihnen in dem Sinne der Selbstliebe eine gute Sommerzeit.

2025-02 | ARTE | Serie

In my Skin

Derzeit und bis zum 14.01.2026 läuft auf ARTE die englische Serie In my Skin. Die dark comedy der Autorin und Regisseurin Kayleigh Llewellyn wurde von 2018 bis 2021 gedreht und durch die BBC Three herausgebracht. Aus der Ankündigung auf ARTE:

Die aufsässige und stürmische Bethan verheimlicht in der Schule ihre dramatischen Familienverhältnisse. Die tragikomische Coming-of-Age-Serie mit spitzzüngigen Dialogen zeichnet das subtile Porträt einer Jugendlichen, die ihr Leben auf eine ungewöhnliche Art anpackt.

In Wales gibt sich die 16-jährige Bethan Gwyndaf vor ihren Mitschülern Travis und Lydia fröhlich und sorglos, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein schwieriger Familienalltag. Nicht genug, dass sie sich um ihre bipolare Mutter Trina kümmern muss. Auch ihr Vater Dilwyn, ein verantwortungsloser Alkoholiker, macht ihr das Leben schwer. Als Trina nach einem manischen Anfall in die Psychiatrie eingewiesen wird, tritt Bethans Schreibtalent zutage.

Nach außen hin spielt sie die aufsässige Jugendliche, daheim fungiert sie als letzte Stütze einer dysfunktionalen Familie. Bethan führt ein Doppelleben und verschweigt ihren Freunden die Dämonen, die ihren Alltag erdrücken. Mit ihrer bipolaren Mutter, die sie vor ihrem alkoholkranken, untätigen und aufbrausenden Vater beschützen muss, trägt das Mädchen eine viel zu schwere Last. Davon lässt sie sich nichts anmerken und flüchtet zusammen mit ihren Mitschülern ins Teenagerdasein, doch irgendwann bricht die Fassade zusammen.

Ohne jemals in Pathos zu verfallen, manövriert die Serie geschickt zwischen dem jugendlichen Leichtsinn der Tochter, den manisch-depressiven Schüben der Mutter und dem Verfall des Vaters, um die übergroße Verantwortung der jungen Protagonistin, die in die Rolle einer Erwachsenen schlüpfen muss, in den Fokus zu rücken. Gabrielle Creevy, Jo Hartley und Di Botcher bilden ein wunderbares Trio aus Tochter, Mutter und Großmutter, das wie eine Ode an die Schwesternschaft anmutet.

Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Ich habe die Serie gerade zu Ende geschaut und bin begeistert. Very british und trotz der komödiantischen Schauspielkunst schmerzhaft realistisch! Derzeit habe ich vier Klientinnen in Psychotherapie, die genauso intelligent wie Beth sind und verblüffend ähnliche Schicksale erlitten haben. Eine Warnung möchte ich für alle sensiblen Menschen aussprechen. Die erste Staffel ist über weite Teile eher Komödie, die Tragödie deutet sich nur an und nimmt erst in der zweiten Staffel richtig Fahrt auf. In der Episode 3 der zweiten Staffel explodiert die unterschwellige Anspannung in einen Gewaltexzess. Dies zu schauen, war für mich schwer auszuhalten, weil ich morgens noch eine Klientin da hatte, die von ähnlich schlimmen Erlebnissen erzählt hatte. Und genauso wie Beth konnte sie als Heranwachsende nicht reden und hat keine angemessene Unterstützung erfahren.

In der Folge 4 der zweiten Staffel kommt es zu einem kleinen, zärtlichen Dialog zwischen Beth und der Freundin Cam, der die ausweglose Tragik von Beth unerträglich verdichtet:

Cam: Wer weiß noch davon?
Beth: Niemand. Nur Du.
Cam: Warum hast du nichts gesagt?
Beth: Keine Ahnung.
Cam: Nein, komm schon. Warum?
Beth: Weil ich mich schäme.

Falls sie die schwarzhumorige, nervöse Unterschwelligkeit der ersten Serie und den gewalttätigen Spannungsbogen der zweiten Serie nicht ertragen, schauen Sie ausschließlich die letzte Folge. Sie ist so zartfühlend, so wundervoll, so rührend - nicht alles wendet sich zum Guten und das, was gut wird, ist schmerzhaft -, dass meine Frau und ich die ganze Zeit still geweint haben.

» Stream auf ARTE
» Wikipedia

illustration prinzessin entspannen

2025-02 | Vortrag | Minden-Lübbecke

Verantwortung und Freiheit als Gegenentwurf

Der Landesverband der Freundeskreise ist seit längerem engagiert dabei, die Angehörigen mehr in den Fokus zu nehmen und ihnen adäquate Unterstützung zu bieten. Die Angehörigen sind mittlerweile sogar im Vorstand vertreten und es wurde die empfehlenswerte Broschüre Steig aus! von Angehörigen für Angehörige veröffentlicht. Eine Selbsthilfegruppe Angehörige hatte mich für den 15.04.2025 ins Katholische Gemeindehaus nach Minden-Lübbecke eingeladen. Und die Gruppe hat mir ein brisantes Thema mit reichlich Stoff für Diskussionen vorgegeben. Aus der Ankündigung:

Abhängigkeit ist ein soziales System und dieses System spielt unentwegt Schwarzer-Peter mit festgeschriebenen Rollen: Die süchtigen sind die "armen Kranken" und die Angehörigen haben den schwarzen Peter. Dieses rigide, manipulative Spiel findet nicht nur in den Familien statt, es ist auch definierender Teil des Suchthilfesystems und Teil einer seit Jahrzehnten bekannten gesellschaftlichen Schieflage: Alle Hilfe ist für die Suchtkranken reserviert, während die Angehörigen vergessen oder als Co-Therapeuten benutzt werden.

Was können wir machen, wenn wir gewahr werden, dass wir Teil eines Spiels sind, welches wir nur verlieren können? Es geht meiner Erachtens darum, aus dem abhängigen Schuldspiel auszusteigen, uns die Freiheit zu nehmen, nüchtern Verantwortlichkeiten zu klären: "Für deine Sucht und die Folgen bist du verantwortlich. Ich bin dafür verantwortlich, mich zu schützen, abzugrenzen und mein Leben nach meinen Vortstellungen zu gestalten." Darüber möchte ich mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Um anzuregen, wie aus dem Schuldspiel ausgestiegen werden kann, habe ich aus vier Büchern zitiert und zwei Gedichte vorgetragen. Das erste Buch ist Der Mensch in der Revolte von Albert Camus. Die anderen drei Bücher sind Romane zum Thema Kinder aus Suchtfamilien von Juli Zeh, Annabelle Schickentanz und Michelle Halbheer. Die Gedichte stammen von Erich Fried (Sucht) und Annabelle Schickentanz (Sehnsucht) Folgend drei Zitate aus den Büchern:

Camus (S. 27): Was ist ein Mensch in der Revolte? Ein Mensch, der nein sagt. Aber, wenn er ablehnt, verzichtet er doch nicht, er ist auch ein Mensch, der ja sagt aus erster Regung heraus. [...] Gleichzeitig mit dem Widerwillen gegen den Eindringling enthält jede Revolte eine völlige und unmittelbare Zustimmung des Menschen zu einem Teil seiner selbst.

Zeh (S. 190 - 191): Plötzlich weiß er, wie es geht. Es gibt nur einen Weg. Er löst sich von ihr und beginnt, Kleidungsstücke vom Boden aufzuheben und in Lunas Rucksack zu stopfen. [...] "Was soll das?", fragt sie. "Geh", sagt er. Sie schauen sich an. Lunas großer, erstaunter Blick. "Sofort", sagt er. "Hau ab." Sie gehorcht. [...] Er schaut in das Gewirr aus herabsinkenden Flocken. Wunderbare Langsamkeit. Unten tritt Luna aus dem Haus, eine große Frau. [...] Ihre Jacke ist zu dünn, sie wird sich erkälten. Henning öffnet das Fenster, ruft aber nicht. Er lässt den kalten Zigarettengeruch hinaus.

Schickentanz (S. 218): Du könntest entgegnen, dass man zwischen dem Menschen und der Sucht unterscheiden muss, dass die Würde des Menschen es gebiete, ihm zur Seite zu stehen, ihm zu helfen, damit er die Sucht überwinden kann. [...] Der Übergang in eine Co-Abhängigkeit ist ebenso fließend wie die Entstehung einer Sucht. Es sind unsere ungestillten Bedürfnisse, schlafend unter dem Deckmantel der Hilfe, die uns in die Zuwendung drängen. Warum fragen wir nicht danach, welche würdevolle Zuwendung unsere eigenen Bedürfnisse benötigen?

Aus der Diskussion im Anschluss an meine Ausführungen sind mir besonders zwei Fragen nachgegangen: 1. Wie antworte ich, wenn mir jemand mitteilt, dass er sich schämt. 2. Wie geht es, wütend zu werden? Die erste Frage ist relativ einfach zu beantworten: Ein Schamgefühl ist der Ausdruck des Grundbedürfnisses nach Liebe und Bindung. Ein Mensch, der sich in seinem Schamerleben mitteilt, möchte in seinem Sosein, dass er so ist, wie er ist, gesehen und angenommen werden. Die zweite Frage ist die große, immer wieder neu zu stellende Frage nach dem Sinn des Leben: "Was will ich?" Diese kann nur jeder für sich beantworten, die Suche nach den Antworten dauert ein Leben lang. Voraussetzung dafür ist, dass man frei, nur sich selbst verpflichtet ist.

» Abstract zum Vortrag
» Freundeskreise NRW
» Broschüre herunterladen

Folgend einige Hinweise zum Gebrauch und zum konzeptionellen Hintergrund dieser Website:

Schmökern

Diese Website ist zum Schmökern gedacht. Sie ist gefüllt mit Informationen, die sich an verschiedene Gruppen richten: Kinder aus Suchtfamilien, PartnerInnen, Eltern, andere Angehörige, Freunde, Kollegen, Suchtbetroffene, Fachleute, Journalisten und alle anderen, die sich informieren wollen. Die Inhalte bilden das Spektrum von trockenen Fachkonzepten bis hin zu kreativen Medien ab. Um Ihnen die Orientierung zu erleichtern, gibt es erstens ein Sidemap, welches Sie auf jeder Seite unten links im Footer aufrufen können. Zweitens finden Sie unten auf den Seiten die Rubrik Obendrein mit Vorschlägen für inhaltlich ähnliche, weiterführende Seiten.

» Sidemap

Eine Angehörigenproblematik

Verschiedene Gruppen sind als Angehörige von Sucht betroffen: Kinder, erwachsene Kinder, Partner, Eltern, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen, Suchthelfer etc. Die Betroffenheit hat zwar viele individuelle Gesichter, doch es gibt meines Erachtens nur eine Angehörigenproblematik. Das möchte ich Ihnen anhand von zwei Argumenten erläutern.

Erstens überschneiden sich die Betroffenengruppen erheblich. Dies liegt an der co-abhängigen Transmission (» mehr). Mädchen - seltener Jungen - aus Suchtfamilien, suchen sich als Erwachsene überdurchschnittlich häufig suchtkranke Partner. Aus diesen (co-)abhängigen Partnerschaften gehen wiederum süchtig und co-abhängig gefährdete Kinder hervor. Geschätzt die Hälfte der Partnerinnen und Mütter und auch, doch seltener Partner und Väter, die ich in über 20 Jahren Angehörigenarbeit behandelt habe, ist biografisch schon durch eine Kindheit in einer Suchtfamilie vorbelastet gewesen.

Zweitens sind alle Personen, die in einem engen, langfristigen Kontakt mit Suchtkranken stehen, denselben Belastungen ausgesetzt: Das berauschte und entzügige Verhalten der Suchtkranken ist selbstsüchtig, verantwortungslos und unzuverlässig. Als Reaktion darauf entwickeln die Angehörigen komplementäre Muster der Selbstlosigkeit, Verantwortungsübernahme und Verlässlichkeit, um die Defizite der Suchtkranken auszugleichen. Auch wenn Kinder zweifelsohne aufgrund ihrer ungefestigten Persönlichkeit besonders vulnerabel sind, sind die psychosozialen Leiden und Folgeprobleme der unterschiedlichen Angehörigengruppen im Prinzip dieselben.

Aus den beiden genannten Gründen wird die Angehörigenproblematik auf dieser Website ganzheitlich betrachtet und behandelt.

Suchthelfer sind Angehörige

Bevor ich mich ambulant als Psychotherapeut niedergelassen habe, habe ich lange als Suchttherapeut gearbeitet. Damals habe ich nach und nach begriffen, dass die Themen und Probleme der Angehörigen ähnlich den beruflichen Herausforderungen der Suchthilfe sind. Auch Suchthelfer können sich in selbst aufopfernden und Verantwortung schulternden Mustern verlieren. Wie Dachdecker vom Dach fallen können, können sich Suchthelfer verstricken. Es ist ihr Berufsrisiko.

Die therapeutische Arbeit mit Angehörigen ist Psychohygiene für Suchthelfer. Indem ich Angehörigen geholfen habe, klarer zu werden und sich besser abzugrenzen, habe ich implizit gelernt, mich gegenüber der suchtkranken Klientel konsequenter zu verhalten. Es hat mir geholfen, sowohl die Sorge für die süchtige Klientel als auch die Selbstfürsorge im Berufsalltag besser auszubalancieren, um nicht auszubrennen und hart und negativ zu werden. Zynismus ist eine häufig zu findende Form der psychischen Beschädigung von Suchthelfern und Angehörigen.

Der Begriff Angehörige wird auf dieser Website als eine Kategorie verwendet, unter die auch Suchthelfer fallen. Alle Inhalte richten sich gleichermaßen an familiär und beruflich Betroffene.

Angehörige von psychisch kranken Personen

Alle Angehörigen von psychisch kranken Personen sind belastet. Warum beschränkt sich diese Website auf das Angehörigenthema der Sucht?

Abhängigkeitserkankungen sind auch psychische Störungen, doch sie unterscheiden sich in einem Aspekt von den meisten anderen psychischen Störungen. Der Suchtmittelmissbrauch ist der Versuch, eine primäre psychische Erkrankung zu bewältigen. Durch den Rausch werden die psychischen Leiden betäubt. Kurzfristig sorgt dies zwar für Erleichterung, doch langfristig verschlimmert sich derart die primäre Problematik und schafft zudem zerstörerische Folgeprobleme. In der Problemverleugnung, den süchtigen Manipulationen, Beschämungen und Beschuldigungen und den rausch- und entzugsbedingten Übergriffigkeiten entwickeln Suchterkrankungen zerstörerische Auswirkungen auf das soziale Umfeld.

Diese schädigenden sozialen Effekte sind bei anderen psychischen Störungen in der Stärke und dem Ausmaß nur selten zu finden. Bitte missverstehen Sie mein Argument nicht, es beschreibt nur eine Tendenz. Ihre konkrete, individuelle Situation kann nämlich ganz anders aussehen, z.B. können Angehörige von Personen mit Impulskontrollstörungen ebenfalls Übergriffigkeiten erfahren. Übrigens gehen solche aggressiven Störungen häufig mit Suchtmittelmissbrauch einher. Nichtsdestotrotz ist - im Gegensatz zur süchtigen Uueinsichtigkeit - den meisten psychisch erkrankten Personen sehr wohl bewusst, dass sie krank sind, und sie tun alles, damit andere nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Diese Website muss inhaltlich begrenzt werden, damit sie nicht ausufert und beliebig wird. Diese Entscheidung hat Vorteile, sie hat aber auch Nachteile. Die Problematik von Angehörigen psychisch kranker Personen wird auf CO-ABHAENIGIG.de implizit berücksichtigt. Sind Sie als Angehörige in diesem Sinne betroffen, sind Sie eingeladen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkunden.

Illustrationen

Die Illustrationen von Prinzessin & Frosch, welche diese Website schmücken, sind von Sina Gruber, eine junge Künstlerin und damals Studentin der Psychologie aus Kassel. Die 23 Werke entstanden 2013 auf Grundlage des Manuskriptentwurfs zum Ratgeber "Ich will mein Leben zurück!"

Anliegen

Co-ABHAENGIG.de habe ich 2010 eingerichtet, als mein erstes Fachbuch zum Thema herauskam. Damals hat es im deutschsprachigen Raum kaum informative Internetrepräsentationen zum Thema gegeben. Seitdem sind zwei weitere Fachbücher entstanden, ich habe eine Reihe an Artikeln verfasst, unzählige Vorträge gehalten, Interviews gegeben und Workshops und Fortbildungen zum Thema durchgeführt. Darüber hatte ich viele bereichernde Begegnungen zu Betroffenen wie auch zu anderen, in der Sache engagierten Fachleuten. Es sind kleinere und größere, kurz- und langfristige Kooperationen zustande gekommen. Vor allem aber habe ich von meinen Klienten gelernt. Ihre Erfahrungen sind für mich Geschenke. Ich bin dankbar, dass ich an ihren Entwicklungen, sich zu befreien und ihr Leben zurückzuerobern, teilhaben darf.

So ist aus dem in der Freizeit gepflegten Steckenpferd mein heutiger Arbeitsschwerpunkt geworden. Mit diesem Prozess ist auch die Website peu à peu gewachsen. Motiviert durch die Kooperation mit der Kollegin und Mitautorin, Judith Barth, habe ich mit dem Jahreswechsel 2020/21 alle Inhalte gründlich überarbeitet, Design und Navigation erneuert und jede Menge neue Seiten hinzugefügt. Das Motiv für mein Engagement hat sich in all den Jahren nicht verändert: Ich möchte über eine tabuisierte Thematik aufklären und zum kritischen Nachsinnen und konkreten Handeln anregen. Darüber hinaus gestalte ich die Website eigenständig und unabhängig und verfolge damit keine wirtschaftlichen, institutionellen oder sonstigen Interessen.

meditierende prinzessin